Der Verwaltungsrat nach dem revidierten Aktienrecht

07.03.2024
Fabio Segat

Die Revision des Schweizer Aktienrechts mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 hatte auch Anpassungen zum Gegenstand, welche den Verwaltungsrat betreffen. Diese Anpassungen haben direkte Auswirkungen auf die Praxis von KMUs und Startups. In diesem Artikel haben wir die wichtigsten Aspekte zusammengefasst. 

Wahl, Abwahl und Amtszeit

Unverändert bleibt auch im revidierten Aktienrecht der Grundsatz, wonach (i) nur natürliche Personen als Mitglieder des Verwaltungsrats ("VR") gewählt werden können (Art. 120 Handelsregisterverordnung) und (ii) die Wahl und Abberufung der VR-Mitglieder eine unübertragbare Kompetenz der Generalversammlung ("GV") ist (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 und Art. 705 Abs. 1 OR).

Neu wird hingegen der Grundsatz der Einzelwahl der VR-Mitglieder von kotierten auch auf nicht-kotierte Gesellschaften ausgedehnt, d.h. dass alle VR-Mitglieder einzeln und nicht zusammen als Gruppe (z.B. "Wiederwahl aller bisherigen Mitglieder des Verwaltungsrates") gewählt werden müssen. Vorbehalten bleibt eine anderslautende Regelung in den Statuten oder die Anordnung des Vorsitzenden der GV mit der Zustimmung aller vertretenen Aktionäre (Art. 710 Abs. 2 OR). In der Praxis wenden bereits viele KMUs und Startups dieses Einzelwahlsystem an, welches als Best Practice gilt. 

Die Amtsdauer der VR-Mitglieder beträgt unverändert drei Jahre. In den Statuten kann die Amtsdauer auf bis zu ein Jahr verkürzt bzw. auf höchstens sechs Jahre verlängert werden (Art. 710 Abs. 2 OR). Schliesslich ist bei allen Aktiengesellschaften die Wiederwahl der VR-Mitglieder möglich (Art. 710 Abs. 3 OR). Das Gesetz sieht keine Beschränkungen von aufeinanderfolgenden Amtszeiten oder einer Altersgrenze vor. Derartige Einschränkungen könnten hingegen in den Statuten vorgesehen werden, was allerdings in der Praxis nur selten genutzt wird.

Sitzungen und Beschlussfassung 

Nach dem revidierten Aktienrecht kann der VR seine Beschlüsse weiterhin in einer physischen Sitzung mit einem bestimmten Sitzungsort fassen (Art. 713 Abs. 2 Bst. 1 OR) oder Beschlüsse schriftlich, auf Papier oder in elektronischer Form fassen, sofern alle VR-Mitglieder diesem Verfahren zustimmen ("Zirkularbeschluss"), d.h. wenn kein Mitglied ausdrücklich die Beratung eines Traktandums verlangt (Art. 713 Abs. 2 Bst. 3 OR). Weiter sieht das revidierte Gesetz nun ausdrücklich vor, dass der VR seine Sitzungen mit elektronischen Mitteln durchführen und entsprechende Beschlüsse in elektronischer Form fassen kann (Art. 713 Abs. 2 Bst. 2 OR, der Art. 701c bis 701e OR hierfür sinngemäss zur Anwendung kommen lässt) und somit rein virtuell ohne physischem Sitzungsort (per Telefon- oder Videokonferenz), was in der Praxis bereits akzeptiert war. In diesem Fall muss der VR technische Mittel verwenden, welche die Überprüfung der Identität der Teilnehmenden ermöglichen und die gleichzeitige Übermittlung der Wortmeldungen während der Sitzung sowie die Unverfälschbarkeit der Beschlussfassung sicherstellen (Art. 701e OR).

Schliesslich müssen die Beratungen und Beschlüsse des VR stets in einem Protokoll festgehalten werden, das vom Vorsitzenden und dem Sekretär zu unterschreiben ist (Art. 713 Abs. 3 OR). Weitere Einzelheiten der Beschlussfassung kann der VR im Organisationsreglement regeln (Art. 716b Abs. 3 OR).

Interessenkonflikte

Die Vermeidung von und der Umgang mit Interessenkonflikten ist Teil der allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflichten eines jeden VR-Mitglieds (Art. 717 OR). Eine wirksame Corporate Governance ist daher von essenzieller Bedeutung, um derartige Situationen nach Möglichkeit zu vermeiden oder, falls sie bereits eingetreten sind, diesen in angemessener Weise zu begegnen. In diesem Zusammenhang sieht das Gesetz Leitplanken vor, innerhalb welcher der VR ein passendes Verfahren zur Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten bestimmen kann (Art. 717a OR). In jedem Fall müssen Mitglieder des VR sowie der Geschäftsleitung, die sich in einem Interessenkonflikt befinden, den VR unverzüglich und detailliert über den Interessenkonflikt informieren (Art. 717a Abs. 1 OR). Der VR hat sodann die erforderlichen Massnahmen zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft zu ergreifen (Art. 717a Abs. 2 OR). Dabei nimmt das betroffene Mitglied an den eigentlichen Entscheidungen über diese Massnahmen nicht teil. So könnte der VR z.B. beschliessen, den Konfliktgegenstand in einem zweistufigen Prozess zu lösen: Eine erste Abstimmung mit allen anwesenden VR-Mitgliedern und im Anschluss eine zweite Abstimmung ohne das betroffene VR-Mitglied, wobei ein VR-Beschluss nur dann gültig ist, wenn er durch die zweite Abstimmung positiv bestätigt wird. Alternativ könnte der Verwaltungsrat aber z.B. auch das in Konflikt stehende Verwaltungsratsmitglied an der entsprechenden Diskussion teilnehmen lassen, es aber von der Abstimmung ausschliessen. Zwar sieht das Gesetz keinen ausdrücklichen Ausschluss eines in Konflikt geratenen Mitgliedes des VR oder der Geschäftsleitung vor, im Falle eines dauerhaften Interessenkonflikts ist es aber generell anerkannt, dass das betroffene Mitglied seinen Austritt erklären sollte.

Die anwendbaren Regeln für den Umgang mit Interessenkonflikten können in das Organisationsreglement aufgenommen werden. Bei der Festsetzung des relevanten Vorgehens im Zusammenhang mit Interessenkonflikten kann sich der VR an etablierten Governance-Regeln orientieren, wie z.B. am von economiesuisse publizierten Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance

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